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Virusepidemie Asiens Machthaber fürchten Corona

Nicht nur für das Regime in Peking wird die Coronavirus-Epidemie zum Stresstest. In Thailand gibt es scharfe Kritik an der Regierung, Japan bangt um die Olympischen Sommerspiele. Nur Taiwan könnte von der Krise politisch profitieren.
Touristen in Bangkok: Maßnahmen sollten Entschlossenheit demonstrieren - verfehlen aber oft ihr Ziel

Touristen in Bangkok: Maßnahmen sollten Entschlossenheit demonstrieren - verfehlen aber oft ihr Ziel

Foto: Patipat Janthong/ DPA

Die Frage, in welche Länder Touristen aus China während des chinesischen Neujahrsfestes gereist sind, beschäftigt in diesem Jahr nicht nur Tourismusbehörden. Einige asiatische Staaten sind besorgt, dass Besucher aus China das Coronavirus eingeschleppt haben könnten.

Eine Untersuchung der Universität Southampton  zeigte vor wenigen Tagen: Thailand war wohl das beliebteste Ziel für Bewohner aus der Stadt Wuhan, die als Ausgangspunkt der Epidemie gilt. In Thailand wurde am 13. Januar auch der erste Coronavirus-Fall außerhalb der Volksrepublik festgestellt.

In China gibt es bislang mehr als 1100 Tote durch das Virus, fast 45.000 Menschen sollen sich auf dem Festland infiziert haben. Die meisten Fälle sind in der Provinz Hubei registriert, in der auch die Millionenstadt Wuhan liegt. Inzwischen gibt es aber auch Hunderte registrierte Fälle außerhalb Chinas.

Vier weitere Länder in der Region sind besonders betroffen. Die Regierungen dort stehen wie die Führung in Peking durch den Ausbruch vor gewaltigen Herausforderungen.

Japan

Die Ausbreitung des Coronavirus gefährdet das wichtigste Prestigeprojekt des japanischen Premierministers Shinzo Abe in diesem Jahr, die Olympischen Sommerspiele in Tokio. Japan ist nach China am stärksten vom Virus betroffen, inzwischen sind 29 Fälle auf dem Festland bekannt. Experten schätzen, dass der Höhepunkt der Epidemie erst in einigen Monaten erreicht sein könnte.

"Ich bin wirklich besorgt. Ich hoffe, dass sich das Problem so schnell wie möglich lösen lässt", sagte Toshiro Muto, der Vorsitzende des Olympischen Komitees. Die japanische Sportagentur, eine Organisation, die im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees arbeitet, will nun eine Studie zu den Auswirkungen der Coronavirus-Krise  anfertigen. Diese soll vor allem Aufschlüsse über die gesundheitlichen Folgen für die Athleten, die sich derzeit auf die Olympischen Spiele vorbereiten, geben.

Das ist nicht das einzige Problem für die Regierung in Tokio. Im Hafen von Yokohama liegt noch immer das Kreuzfahrtschiff "Diamond Princess". Tausende Passagiere und Mitarbeiter dürfen das Schiff nicht verlassen, auf dem inzwischen 174 Infektionen mit dem Coronavirus nachgewiesen wurden. Wie lange die Touristen noch ausharren müssen, ist nicht bekannt. In jedem Fall sollen sie 14 Tage unter Quarantäne bleiben.

Thailand

Die Maßnahmen sollten Entschlossenheit demonstrieren - verfehlten aber ihr Ziel: Am 23. Januar, zehn Tage nachdem der erste Coronavirus-Fall in Thailand nachgewiesen wurde, verschärfte die thailändische Regierung ihre Reisewarnungen. Sie rät seither von allen unnötigen Reisen nach China ab. Touristen aus Wuhan ließen die Behörden an den Flughäfen auf ihre Körpertemperatur prüfen - obwohl unter Medizinern umstritten ist, ob diese Prozedur sinnvoll ist. Inzwischen ist die Zahl der registrierten Infektionen in Thailand auf 33 gestiegen.

Die Regierung muss sich nun dafür rechtfertigen, was sie nicht durchgesetzt hat: Anders als andere Staaten in der Region schränkte Thailand die Einreise für chinesische Touristen nicht ein, die Visavergabe wurde nicht verändert, und auch Großveranstaltungen und Festivals sollen wie geplant stattfinden. Chinesische Touristen machen normalerweise fast ein Drittel aller Besucher in dem südostasiatischen Land aus.

Die Thailänder haben wenig Verständnis für die lasche Vorgehensweise. In den sozialen Netzwerken gab es in den vergangenen Tagen Tausende Einträge mit dem Hashtag "crapgovernment", auf Deutsch: "Miese Regierung". Sie werfen der Regierung vor, ihr sei der Yuan, die chinesische Währung, wichtiger als die Gesundheit der eigenen Bürger. Gesundheitsminister Anutin Charnvirakul hält dagegen: "Wir kontrollieren die Situation und sind zuversichtlich, dass wir die Krise meistern können", sagte er laut der Nachrichtenagentur Reuters.

Mittlerweile hat sich auch König Maha Vajiralongkorn eingeschaltet. In einem Brief an Chinas Präsidenten Xi Jinping schrieb das thailändische Staatsoberhaupt, er sei beeindruckt von den Maßnahmen der chinesischen Behörden. Xi könne sich auf die Solidarität der Thailänder verlassen, zitiert die Zeitung "Nikkei Review" aus dem Schreiben weiter. Damit wird jede weitere Kritik an der Handhabe der Krise für Thailänder heikel: Diese könnte nach dem royalen Statement als Beleidigung des Königs ausgelegt werden, worauf bis zu 15 Jahre Gefängnisstrafe stehen.

Südkorea

Die gute Nachricht zuerst: Vier Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten, sind in Südkorea geheilt worden. Doch die Sorge ist groß, dass sich mehr Bürger angesteckt haben. Seit Januar hat das Land 28 Fälle von 2019-nCoV gezählt. Die Zahl der Verdachtsfälle steigt mit jedem Tag deutlich. Derzeit werden 762 Menschen getestet.  

Mit Schutzmaske besuchte Präsident Moon Jae-in nach Beginn des Ausbruchs das Nationale Medizin-Zentrum; sein Palast nennt sich mittlerweile "Control Tower". Die Botschaft des Präsidenten: "Wir haben das unter Kontrolle". Tatsächlich agiert die Regierung sehr umsichtig und professionell. Bei vielen Südkoreanern kommen dennoch Erinnerungen an den MERS-Ausbruch von 2015 auf. MERS steht für Middle-East Respiratory Syndrome, es ist ebenfalls ein Coronavirus. Rasch hintereinander erkrankten damals in Südkorea 186 Menschen, 38 starben. Danach wurde das Notfallsystem für Infektionskrankheiten stark umgebaut.

Behandelt oder in Quarantänezentren überwacht wurden die 701 Koreaner, die aus Wuhan ausgeflogen wurden. Ein drittes Flugzeug wird am Mittwoch aus der chinesischen Metropole zurückkehren. Da jedoch auch Infizierte aus anderen Ländern Asiens gekommen sind, warnt die Regierung seit Dienstag vor Reisen nach Japan, Taiwan, Malaysia, Vietnam, Thailand und Singapur. Für Passagiere vom chinesischen Festland, Hongkong und Macao gilt seit Sonntag ein spezielles Einreiseverfahren. Die Furcht vor einer Ausbreitung des Virus ist allgegenwärtig.

Taiwan

In Taiwan ist die Ausbreitung des Coronavirus zu einem Politikum geworden. Der Grund: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verfolgt auf Druck der chinesischen Regierung das "Ein-China-Prinzip" - demnach ist Taiwan, das eigenständig und demokratisch regiert wird, ein Teil der Volksrepublik. Daher werden dort auch nicht gesondert Zahlen erhoben. Die WHO verwendet die Informationen aus Peking. Diese haben sich aber in der vergangenen Woche als unzuverlässig erwiesen. Es waren 13 statt zehn Fälle übermittelt worden, die WHO musste später korrigieren. Inzwischen liegt die Zahl der bekannten Fälle auf der Insel bei 18.

"Es waren falsche Zahlen, die von der chinesischen Regierung weitergegeben worden sind", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums. Eine Konsequenz aus der "Ein-Staaten"-Logik der WHO sei, dass in Italien nicht mehr nur für Flüge vom chinesischen Festland ein Landeverbot gilt, sondern auch für jene aus Taiwan. Wie in Hongkong kam es in den vergangenen Tagen und Wochen auf der Insel zudem zu Hamsterkäufen. Die Menschen befürchten, dass sie von der Grundversorgung und wichtigen medizinischen Bedarfsgütern wie Atemmasken abgeschnitten werden (mehr zu den Reaktionen in Hongkong lesen Sie hier).

Leere Supermarktregale in Hongkong

Leere Supermarktregale in Hongkong

Foto: Vincent Yu/ AP

Schon seit Beginn der Epidemie weist die taiwanische Regierung, die von der Peking-kritischen Demokratischen Fortschrittspartei geführt wird, darauf hin, dass die WHO die Insel als eigenständig betrachten solle. Wenige Regierungen und Organisationen auf der Welt sehen diesen Anspruch Taipehs als berechtigt an, nur in 15 Staaten gilt Taiwan als eigenständig.

Doch im Fall des WHO-Ausschlusses bekommt die Regierung in Taipeh nun Rückendeckung. "Es wird schwierig, die weitere Ausbreitung des Coronavirus in der Region zu unterbinden, wenn Taiwan aus politischen Gründen ausgeschlossen wird", sagte Japans Premier Shinzo Abe vor einigen Tagen. Auch Kanadas Premier Justin Trudeau plädiert dafür, dass Taiwan in der WHO den Status eines Beobachters zugesprochen bekommt, wie die "Taiwan News" berichtete . Die Regierung in Taipeh nutzt das Virus somit - zumindest politisch.